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Cavallerotti - Geldbürger, Popolanen "Cavallerotti" - dieser Ausdruck prägte sich für eine in den italienischen Stadtrepubliken des Trecento zwischen dem "popolo minuto" - den "kleinen Leuten" - und dem "popolo grasso" - dem "fetten Volk" - angesiedelte Schicht vermögenden merkantilen Bürgertums. Die "Cavallerotti", - als Kaufleute, Grosshändler von Vieh und Getreide, Bankiers, Grossgrundbesitzer etc. wohlhabend, aber von den Patrizier- und Feudalkreisen ausgeschlossen - suchten sich als einflussreiche Mitglieder der Popolanen, der Volksparteien dennoch gesellschaftlichen Einfluss und politische Vormacht zu verschaffen. Kaum allerdings, daß sich die in der Praxis oft unerwartet unbequemen Veränderungen durchsetzten und entbehrungsreiches Engagement hohen Bürgersinns verlangten, überliefern sich Unzufriedenheit und Berechnung bei den "Cavallerotti". Ganz gleich, worauf es nun im einzelnen abhing: administrative oder geschäftliche Vorteile welche sich nicht schnell genug einstellten; Ämter und Würden, auf die einstmals unverhohlen reflektiert wurde, welche aber nunmehr anderen, Berufeneren (oder noch raffinierter vorgehenden Mitläufern der Volksfronden) zuerkannt wurden; geschäftlicher Niedergang durch Fehden gegen innere und äussere feudale Republikgegner: Lustlosigkeit in der Wahrnehmung administrativer Aufgaben, zögerlich gewährter Rückhalt gegenüber dem Senat oder dem amtierenden Volkskapitän, Empfänglichkeit für finanzielle Zuwendungen seitens führender Repräsentanten des "popolo grasso" oder der Feudalclans in Stadt und Region untergruben rasch die von "Cavallerotti" einstmals unterstützten und errichteten Regime. "Cavallerotti" standen nicht nur unausgesetzt in Geheimverbindung zum politischen oder militärischen Gegner; Zeitzeugen überlieferten darüberhinaus spezifische Verhaltensweisen der "Cavallerotti": in Krisenzeiten waren sie unter den ersten, welche auf den Strassen zum Sturz der vom "popolo minuto" erhobenen Volksregime hetzten; an den Brennpunkten der darauffolgenden Tumulte taten sie sich wiederum als die lautesten Schreier hervor. Unter den plebeischen Bürgerschichten waren nur die "Cavallerotti" in der Lage, die finanziellen Mittel zur standesgemässen Ausrüstung und Bewaffnung eines bürgerlichen Stadtritters sowie zur Anschaffung und Haltung eines edelgezüchteten Schlachtrosses aufzubringen. Allerdings konterkarierte die Vorgehensweise, mit der "Cavallerotti" ihr militärisches Ehrenamtes erfüllten, das Ideal kommunaler Wehrhaftigkeit vermittels allgemeinverbindlicher Aushebung und Ertüchtigung republikanischen Waffenvolks erheblich. In nahezu gleichem Maße, wie das Gebaren von "Cavallerotti" auf dem politischen Sektor, ernsthafte Bemühungen, republikanischer Volksherrschaft zum Siege zu verhelfen, hintertrieb. In kleinlicher Protzerei suchten sich die Parvenüs der einzelnen Quartiere ebenso wie die Kontingente rivalisierender Viertel untereinander durch das Vermögen zu überbieten, die prachtvollere, teurere Rüstung, das massigere, kräftigere und schnellere Streitross, das in ornamentierter Goldpracht, blendendem Strahlglanz weisspolierten Waffenschimmers und dem verschwenderischen Farbenprunk des Zierats, der Überwürfe und Fahnen beeindruckendere Gesamtbild präsentieren zu können. Erfahrene und langjährig erfolgreiche Kriegsherren, die gegen hohe finanzielle Vergütung im Auftrag der Kommunen entscheidende militärische Vorhaben leiteten, reduzierten die von den Republiken gestellten Kontingente von "Cavallerotti" oftmals nach wenigen Tagen in erheblichem Maße. Dem waren zumeist üble Schlägereien vorausgegangen, welche von den zügellosen jungen Semipatriziern in elitärer Überheblichkeit gegen die bodenständigen Männer, die umliegende Gemeinden den Republiken in Vasallentreue aufgeboten hatten oder die Leute des Condottiere vom Zaun gebrochene wurden. Waren "Cavallerotti" gar aus Gefechten weggelaufen oder der Konspiration mit dem Feind, aus Enttäuschung über das Ausbleiben raschen militärischen Erfolges und einer damit verbundenen, baldigen Heimkehr heraus begonnen, überführt worden, entfernten die Condottiere die jeweiligen Kontingente vollständig aus dem Heer. Um die Unternehmungen nicht durch solch unvorhersehbare Ausfälle übermässig zu gefährden, griffen die Condottiere ersatzweise auf die Dienste von Söldnern aus aller Herren Länder zurück, welche in Italien im Trecento zahlreich umherzogen und von den Kommunen dann für militärische Hilfe hoch zu bezahlen waren. Klaus Nitzsche - ein Autor der ehemaligen DDR - reflektiert im Jahre 1975 in Romanform anschaulich zeitgenössisches Unbehagen, welches im Trecento von jeher mit gewichtigen, maßgeblich auf das Engagement und die Fähigkeiten von "Cavallerotti" bauenden Vorhaben einherging, folgendermassen: "In der zweiten Augusthälfte rückte die Streitmacht Niccolo`s nach Süden vor. Die burgundischen und deutschen Reiter unter Führung Brettones bildeten die Vorhut. Niccolo ritt an der Spitze der Cavallerotti, zu seiner Rechten mit grämlichem Gesicht Doktor Arimbaldo. Vor drei Tagen hatte er noch einmal tief in die Tasche greifen müssen, um die meuternden Kriegsknechte zu beschwichtigen; dafür hatte man ihn zum staatlichen Schatzmeister ernannt, aber der Titel tröstete ihn wenig. "Was meint Ihr, Conte Mancini, wandte er sich an den Reiter zu seiner Linken, "wird Stefanello sogleich kleinbeigeben oder werden wir die Festung belagern müssen?" "Ihr meint, die deutschen Reiter sind nicht zuverlässig"? "Ich dachte nicht an die Vorhut, Niccolo, sondern an Eure Cavallerotti".
Liebe Kulturfreunde, vielleicht war es dem ersten Teil unserer Darlegungen nicht gegeben, plausibel zu machen, warum der eigentümliche Titel "Die Cavallerotti" aus erwogenen, gebotensten, unabänderlichen Sachlagen heraus treffend und daher als richtig anzusehen ist für unsere Arbeit. Oder besser gesagt für das, was im Zentrum der von uns - einer hochherzig initiierten, kleinen Organisation dieses Namens - erstrebten Arbeit stets präsent sein muss: die Ausführungen Klaus Nitzsches haben es sicher vermocht. In Trinitatis Robur Euer Rainer
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Chronik des Kulturnetzwerks...
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